Zeit für Kreislauflandwirtschaft

Die Republik Moldau war mal der Garten der Sowjetunion und hat bis heute ein großes landwirtschaftliches Potential auch mit Blick auf die Ernährung und erneuerbaren Energien.

Seit 2011 war ein Konsortium deutscher Fachleute (aqua consult, IRP Beratende Ingenieure, pmb NET, GMF) mit den Themen kommunale Infrastruktur und erneuerbare Energien tätig geworden, immer gefördert wieder gefördert aus Mitteln des BMWi, BMU und BMZ. Seit 2016 konzentriert sich die Arbeit auf die Planung von Biogasanlagen und die Beratung bei der Ausbringung der Gülle als natürlicher Dünger für die Landwirtschaft in der Region. Treiber ist der Maschinenring Göttingen.

Verbände für Biogasanlagen nach dem Bauherrnmodell in Serbien wurden beraten und in Moldau sogar komplett neu gegründet. Die Ziele der deutschen und europäischen Landwirtschaftspolitik pochen nicht auf eine umfassende und kluge Verwendung der Gülle auf den Feldern.

Daher sollen ab 2021 komplexe gesamteuropäische Lösungen gefunden werden – auch und mit Landwirten aus Moldau. Die folgenden Infos über das Vorhaben des Umweltbundesamtes 2020 und die Nährstoffbörse in Moldau benennen die Einzelheiten.

Weitere Informationen Sie hier:

Thesenpapier

INFO vom Bundesumweltamt

Im Rahmen des vom Auswärtigen Amt geförderten Projektes „Deutsch-Moldauisches Energieforum“ besuchten zehn moldauische Bürgermeister verschiedene Projekte in und rund um Kassel.

Eröffnet wurde die Seminarreise am 22. Oktober 2018 von dem Bundestagsabgeordneten aus Kassel Timon Gremmels, welcher eine Einführung in das Thema Energie in Deutschland gab. Gefolgt von Gesprächen mit Carsten Winnemuth von Transition Town Kassel, welcher über den Verein „Essbare Stadt“ berichtete; einem Vortrag zum „Strom-Sparcheck Kommunal“ sowie dem Schulprojekt „Clever fürs Klima“. Kulturelle Highlights waren die Gemäldeausstellung im Kreishaus Landkreis Kassel „Klimablick – Offensichtliches und Verborgenes“ und das Weltkulturerbe „Bergpark Kassel (Herkules)“.

Am zweiten Tag des Deutsch-Moldauischen Energieforums in Deutschland ging es gemeinsam mit dem Geschäftsführer von E
NERGIE 2000 e.V. Manfred Schaub nach Wolfhagen – eine Kleinstadt westlich von Kassel mit historischem Fachwerk und innovativen Energieideen. Der Bürgermeister Reinhard Schaake begrüßte uns herzlich und es folgte ein aktives Programm mit Besuchen der Biogasanlage Wolfhagen, der Pommernanlage und des Aussichtspunkt Stöckerberg, von dem aus man einen fantastischen Blick über alle Energieinnovationen in Wolfhagen hat. Auch das Schulgebäude der Herwig-Blankertz Berufsschule verdeutlichte diese – eine ehemalige Panzerhalle gedeckt mit einem Soldardach. Zudem ist auf dem Gelände auch noch ein beeindruckender LED-Showroom untergebracht, anhand dessen klar wird, welchen Einfluss Straßenbeleuchtung auf die Umwelt hat. Natürlich durften in der Stadt der historischen Fachwerke der Besuch eines zur Sanierung anstehenden Fachwerkhauses und bereits sanierten Wohn- und Bürohauses nicht fehlen. Ein ganz besonderer Moment des Tages war der Besuch im Privathaus von Manfred Schaub, welcher einen Blick in seinen Keller gestattete und damit zeigte, wie Erneuerbare Energie auch im privaten Haushalt funktioniert.

Östlich von Kassel liegt die Kleinstadt Witzenhausen, die vor allem für die Erfindung der Biotonne im Jahr 1983 und den bundesweit einzigartigen Studiengang „Ökologische Landwirtschaft“ der Universität Kassel bekannt ist  Ein Besuch in Witzenhausen ist dementsprechend unumgänglich. Dr. Izle Denzes stellt vor ihre Arbeit im Fachbereich Organic Agricultural Sciences mit einem innovativen Forschungsprojekt, bei dem Gülle und Kompost als Energieträger verwandt werden. Ebenso ansässig auf dem Gelände der Universität ist die Gesellschaft für Nachhaltige Entwicklung mit ihrem breitgefächerten Aus- und Weiterbildungsangebot. Abschließend erläuterte der Geschäftsführer des Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH Herr Raussen das Thema Abfallverwertung. Ein wichtiges Thema für die Kommunen in der Republik Moldau.

Den Abschluss der Seminarreise bildete ein Besuch nordöstlich von Kassel im niedersächsischen Göttingen. Dort erläuterte die Geschäftsführerin der Energieagentur Region Göttingen e.V. Dorren Fragel das Konzept und die Arbeit der Energieagentur mit dem Fokus, welche auch noch so kleinen Projekte dazu beitragen das Thema Energie und Umwelt in den Vordergrund zu rücken. Abschließend gab es eine Führung durch den Experimentellen Botanischen Garten der Universität Göttingen.

Erfreulicherweise wurden von den moldauischen Bürgermeistern diverse Projektideen für ihre (Klein-)Städte in der Republik Moldau entwickelt und die in Deutschland aufgebauten Kontakte werden genutzt um diese auch in die Tat umzusetzen.

Hintergrund:

Das Deutsch-Moldauische Energieforum ist aus der Zusammenarbeit zwischen dem Deutsch-Moldauischen Forum e.V. und der moldauischen NGO EcoVisio entstanden. Ziel ist es, den Dialog zu Energiefragen zwischen deutschen und moldauischen kommunalen Vertretern aufzubauen, um Energie-Partnerschaften zwischen Kommunen beider Länder zu förde

rn. Durch Konferenzen und gegenseitige Besuche werden Meinungen, Know-how und wissenschaftliche bzw. technische Informationen zwischen kommunalen Akteuren der Energiewirtschaft ausgetauscht.

Ende November 2018 werden von den moldauischen Teilnehmenden ausgearbeitete Konzepte für Energie-Projekte in ihren moldauischen Kommunen präsentiert.

„Wie wir alle wissen, ist Armut der größte Feind der Demokratie und der beste Freund der Korruption. Um die Republik Moldau als einem demokratischen Nachbar der EU zu erhalten, müssen wir mit den Menschen arbeiten und das Problem der Armut lösen. Hinzu kommt, dass Menschen, die zu lange in Armut leben müssen, oft in die Armutsdepression fallen und geben diese an die folgenden Generationen  weiter.  Ich möchte ein wirkungsvolles Instrument finden, um diesem Problem gegen zu wirken. Mir ist bewusst, dass es sehr ambitioniert klingt, aber wer nicht versucht, der nicht gewinnt.“ – Olga Parzany

Gagauzien  – der Süden der Republik Moldau

Gagauzien – ein stolzes und leidenschaftliches Turkvolk welches im Süden der Republik Moldau lebt. Bereits Ende der 80er, noch vor dem Zerfall der Sowjetunion, haben die Gagauzen Ihre Unabhängigkeit gefordert.

Es wurde eine unabhängige Republik, die ein Teil der Sowjetunion war, gegründet. Die Unabhängigkeit bestand 4 Jahre als nicht anerkannte Republik. Am 23. Dezember 1994 hat das Parlament der Republik Moldau das Gesetz „Der besondere rechtliche Status der gagauzischen Autonomie“ verabschiedet und somit wurde die heutige Autonomie der Gagauzen gegründet.

Gagauzien liegt im Süden der Republik Moldau zwischen Rumänien und der Ukraine. Die Gagauzen sprechen ihre eigene Sprache, jedoch wird die russische Sprache heute als gängiges Kommunikationsmittel gebraucht.

Man kann davon ausgehen, dass die Sprache als starkes politisches Instrument genutzt wird. Einerseits ist es ein Signal von Comrat an Chisinau, dass die Gagauzen gegen die Zusammenschließung der Republik Moldau mit Rumänien sind und andererseits ist dies ein Instrument für die prorussischen politischen Kräfte die Kontrolle mittels russischsprachiger Propaganda in der Region zu erhalten.

Im Übrigen ist die Rhetorik der gagauzischen Politiker, ganz besonders vor den Wahlen, sehr prorussisch orientiert – nach der Wahl nimmt diese meistens ab.

Problem Armut

Oft wird die Republik Moldau als das Armenhaus Europas bezeichnet.

Die Misswirtschaft und die schwierige politische Lage des Landes tragen ihren Teil dazu bei, dass die Menschen mit schwierigen Lebensumständen zu kämpfen haben und  teilweise lebensbedrohender Armut ausgesetzt sind. Die sowjetische Vergangenheit ist noch tief in der Mentalität der Bevölkerung verwurzelt und schränkt die Menschen in ihrem Handlungsraum ein. Dies führt zu falschen unerfüllbaren Erwartungen an die Politik und Wirtschaft, was zur Resignation, Gleichgültigkeit und Depression wiederum führt.

Meine Vision ist es, ein Instrument zu finden, um den Menschen in Gagauzien und in der Republik Moldau aus dem Zustand der Armutsdepression zu helfen und langfristige, gute Lösungen hier anzubieten. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Hilfsprojekte gut sind  und die Situation kurzfristig auch lindern können, jedoch nicht die Kraft haben die Wurzel des Problems zu behandeln.

LEBENSTEPPICH©

 Ende Juni habe ich das Pilotprojekt LEBENSTEPPICH© gestartet. Gemeinsam mit Thomas Oetzmann, Entwickler des Moduls www.lebensteppich.de , bin ich nach Gagauzien gereist und habe meine Idee in die Praxis umgesetzt.

Thomas Oetzmann: „Den LEBENSTEPPICH© habe ich als Coach für Führungskräfte entwickelt und es hilft diesen ihre eigenen Ressourcen bewusster und effektiver für ihr Leben und ihre Arbeit einzusetzen. Im Einsatz zeigte sich, dass dieses Tool für viele Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen wirksam eingesetzt werden kann“.

Die Idee des LEBENSTEPPICH© ist es, Menschen auf eine einfache und nahezu spielerische Weise auf die positiven Ereignisse oder Begegnungen ihn ihrem Leben zu fokussieren und in dem eigenen LEBENSTEPPICH© zu fixieren.

Mit Hilfe des  LEBENSTEPPICH wird:

  • die Selbstwahrnehmung unterstützt
  • die Selbstwirksamkeit herausgearbeitet
  • Eigenmotivation und Eigenverantwortung gefördert
  • die Lebensfreude wird geweckt
  • die Endlichkeit des eigenen Lebens wird betrachtet und in den Fokus genommen
  • eine Klarheit geschaffen die mutige Entscheidungen ermöglicht.

Die positiven und dankbaren Rückmeldungen der Teilnehmer bestätigen den Sinn und das Ziel dieses Pilotprojektes.

Weitere Begleitung in Form von Coaching oder von Trainings zu Themen:

  • Sich selbst führen
  • den nächsten Schritt meistern
  • mit Schwierigkeiten umgehen

ist von den Teilnehmern ausdrücklich gewünscht.

Nach Abschluss des Workshops, haben wir den Teilnehmern ein Coaching im persönlichen  Gespräch per skype angeboten. Das Angebot wird von den Teilnehmern freudig in Anspruch genommen. Somit begleiten wir die Teilnehmer mit Hilfe zeitgemäßer Kommunikation von Deutschland aus und begleiten sie in der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen.

Die erste Reise hat gezeigt, dass es notwendig ist Follow ups anzubieten. Das erste Follow up ist im  im August geplant, um die Teilnehmer in der Umsetzung zu unterstützen.

Olga Parzany: „Ich traue dem LEBENSTEPPICH© durchaus zu, ein wertvoller Baustein  zur Armutsbekämpfung zu werden.“

Olga Parzany…

…ist Koordinatorin diverser Hilfsprojekte in Gagauzien.

Die in Kasachstan geborene Russlanddeutsche engagiert sich seit 7 Jahren in der Republik Moldau. Heute ist sie hauptsächlich in der Autonomie Gagauzien aktiv und kann auf eine Reihe guter und erfolgreicher Hilfsprojekte zurückblicken, die sie für diverse deutsche Organisationen koordiniert hat.

Hans-Gerd Spelleken

Der Autor ist Inhaber von Spelleken Assoc. Die in Alzenau Ufr. ansässige entwicklungspolitischen Projektentwickler beschäftigen sich seit über zwanzig Jahren mit dem Land. Hans-Gerd Spelleken gründete das Unternehmen nach einem längeren Auftrag in Chisinau mit dem Vorsatz, kaum bekannte Volkswirtschaften als Partner für die deutsche Wirtschaft aufzubauen.

„Früher habe ich mich weitgehend mit steuerfinanzierten Projektformen befasst. Heute glaube ich, dass Selbsthilfe durch Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig abgesichert wird. Denn die deutsche Wirtschaft ist heute weiter als vor dreißig Jahren, viele Mittelständler sehen die Risiken und Verwerfungen in Europa und der Welt. Geeignete Projektformen sind öffentlich-private Partnerschaften und  andere unbürokratische Ansätze. Allerdings müssen Klischees des Paternalismus und der Arroganz überwunden werden. Gerade Moldau zeigt, dass man mit den normalen Bürgern sehr gut arbeiten kann.“

Moldau ist besser als unser Bild davon

Das Dilemma Moldaus fängt mit dem Namen schon an: Ist es nun das rumänisch-stämmige, politisch korrekte Moldau oder das tradierte, russisch dominierte Moldawien? Und in unseren Köpfen geht es weiter: Ist es ein neues, kulturell schillerndes und vielsprachiges europäisches Partnerland, oder ist es ein kleiner, vernachlässigenswerter Problemfall zwischen Rumänien und der GUS?

Wir wiederholen die Fehler der Vergangenheit. Haben wir in der Ukraine zulange eine eigenständige Entwicklung aus der russischem Brille angezweifelt, so sollten wir dem neuen Moldau heute längst eine Chance geben. Mit seinen stets EU-freundlichen Mehrheiten in Wahlen seit 2009 ist das Land eine schöne Gelegenheit, angemessenen Utopien Raum zu lassen wie dem großartigen Moldotopia von Ecovisio von Valeria und Julian Gröger.

Verwaltungsschwächen durch Lokalisierung umgehen

Vorsicht und Skepsis sind geboten gegenüber Regierung und Verwaltung in Moldau. Denn die Sowjetunion hat trotz mancher Errungenschaft eine mutlose Bevölkerung hinterlassen, die kaum die Kraft zur Opposition und zum neuen Aufbruch mitbringt. Entsprechend haben sich Oligarchie und Zynismus eingenistet bis zur beispiellos kriminellen Bankenkrise von November 2014.

Unsere Reisen in die Schulen und Fachinstitute im ganzen Land sprechen eine andere Sprache. Die Menschen mit ihren Familien, ihren Berufen und ihren täglichen Zielen ticken wie im Rest Europas. Es gibt nicht nur Aufgabendisziplin und Begeisterungsfähigkeit für aktuelle Ziele wie die Modernisierung der Berufsbildung oder die Entwicklung von Wirtschaftsvorhaben. Die lokalen Institutionen leisten auch ihren Dienst am Land. Mit geringen Gehältern von ca. netto 200 € halten Lehrer, Polizisten, Krankenschwestern und viel andere  eine Leistungsstruktur vor, die funktioniert. Hier sind wir durch Schwarz-Weiß-Wahrnehmungen von Korruption und Vetternwirtschaft einerseits und eloquente, vielsprachige Professionals, die wir in unseren teuren Projekten als Assistenten beschäftigen und alimentieren, blockiert bis zur Borniertheit.

Die Mittelschicht ist arbeitsfähig

Dass die Mittelschicht in Chisinau und den Landkreisen arbeitet, das zeigen die Projekte der Bildungspartnerschaft. Deutsche Mittelständler wie die teamdress Stein GmbH, Hamburg, die Viessmann Werke GmbH & Co. KG, Allendorf, oder die Kuntschar & Schlüter GmbH, Wolfhagen, unterstützen moldauische Berufsschulen bei der Modernisierung der Ausbildung junger Menschen.

Die entsprechenden Projekte RomTexTrain, GazTrain und BioTrain wurden zwischen den moldauischen Partnern und Spelleken Assoc. mit Hilfe der bundesdeutschen SEQUA, Bonn, entwickelt. Sie adressieren das Verhältnis zwischen Berufsbildung und Arbeitgebern mit dem Ziel, neue Lösungen der Produktion, der Energieeffizienz und der Energiewende in die jungen Köpfe des Landes zu bringen.

Schulleiter wie Frau Ludmila Petrusanu vom Colegiu Profesional in Hincesti führen nicht nur eine ganze Schule unter für uns undenkbaren Bedingungen. Sie absolvieren auch noch ein Aufbaustudium in Verwaltungswissenschaft und sind neugierig auf moderne Herausforderungen. Frau Petrusanu bringt die Solidität moldauischer Bildungsplanung, die Dynamik einer öffentlichen Managerin und den Esprit einer modernen Frau ein. Auf der Arbeitsebene in Moldau geht vieles besser als in der alten EU, wir müssen unsere Projekte aber dafür öffnen.

Förderformate modernisieren

Auch der Gazprom-Institutsleiter Iurie Truhin oder der Ökocollege-Direktor Alexandru Marit sind solche Macher. Halb Politiker und halb Pragmatiker, wissen sie die notwendigen Veränderungen im Geiste gelebter öffentlich-privater Partnerschaften zu pushen.

Vorurteilslos in die europäische Zukunft denken, Verwaltungsformate zugunsten menschlicher Fortschritte hintanstellen und projektorientiert Veränderungsprozesse selbst gestalten – das können solche Moldauer besser als wir Deutschen, die nur gut alimentierte Veränderungsprozesse kennen.

Während meiner gut dotierten Zeit für die gemeinnützige deutsche Entwicklungszusammenarbeit Ende der 90er Jahr konnte ich gut reden über die Herkulesaufgabe mutiger Projektarbeit in Moldau. Heute sind aber die lokalen Veränderer mein Vorbild: und zwar genau die, die ohne üppige Alimentierung eine Vision für ihr Land entwickeln.

Wir müssen unsere Förderformate radikal überdenken. Statt Multimillionen in orthodoxe Programme zur Verwaltungsreform und die Regionalisierung sog. Ausschreibungen zu stecken, so sollten wir Basisprojekte mit Marktnähe und Investitionsimpulsen bevorzugen. Besser als einhundert arrogante Experten sind eintausend lokale Veränderer in den Schulen, den Krankenhäusern und den vielen funktionierenden Einrichtungen in Moldau. Moldau ist Europa, und wir sollten anfangen, es schon jetzt ernst zu nehmen.

Hans-Gerd Spelleken

www.spellekenassociates.de

Julian Gröger

Moldova besticht mit Übersichtlichkeit

Zugegeben, mit großen Highlights landschaftlicher oder architektonischer Art ist Moldova nicht beschenkt. Chisinau besticht auch vielmehr durch die Abwesenheit von „Wow-Effekten“. Es sind gerade die Schlichtheit, die übersichtlich kleinen Strukturen, das einfach-gute Essen und natürlich die lieben Menschen mit einem Menschenschlag, der für mich ein idealer Mix aus latino-rumänisch und pragmatisch-sowjetisch ist.

Für die in Moldova erfahrene Übersichtlichkeit war ich in dieser Zeit sehr dankbar. Schnell kannte man alle Wege in Chisinau, seine drei Trolleybusse und vier Rutiera-Linien. Nach dem vierten Empfang einer Botschaft kannte man auch beinahe alle Ausländer und Kulturschaffenden im Land und nach dem dritten Ausflug ins Umland konnte man auch schon über genau diese mitreden und Tipps weitergeben. So schnell wird man selten zum Experten. Außerdem sehe ich mittlerweile noch ein ganz anderes Potenzial in dieser Region schlummern.

Suche nach einem Ökotopia im Jahr 2040

Ernest Callenbach hat sich in den 70ern in seinem großartigen Zukunftsroman „Ökotopia“ eine Gesellschaft vorgestellt, in der Resilienz und Gemeinschaft gelebt wird. Natürlich hat er dafür zu seiner Zeit den Nordwesten der USA ausgesucht. Wo würde man heutzutage solch einen Ort der Zukunftsversprechungen hinverlegen? Wo könnte man sich bis 2040 einen tiefgreifenden Wandel zu wahrhaft nachhaltigen Lebensstilen vorstellen?

Es müsste wohl besser ein kleines Land sein, damit großartige Veränderungen schnell durchzusetzen sind. Das Land sollte gute Böden haben und viele Menschen, die etwas von Landwirtschaft verstehen. Es sollte nicht so stark industrialisiert und weniger in globale Stoffströme eingebunden sein und genug natürliche Ressourcen haben, um sich energetisch selbst zu versorgen. Vielleicht Österreich? Aber kann eine solche Utopie in der EU liegen? Und verbrauchen Österreicher nicht Stand 2017 viel zu viele Ressourcen?

Ich setze auf Moldova, oder unser Moldotopia, wie wir unsere Vision nennen. Auf der etwa gleichen Fläche wie Nordrhein-Westfalen leben fünf mal weniger Menschen. Die Voraussetzungen für einen Weg in Richtung Moldotopia 2040 sind 2014 folgende:

Gute Voraussetzungen für ein Moldotopia

Moldova hat sehr gute Böden. Zu Sowjetzeiten war Moldova mit Georgien der Obst- und Gemüsegarten. Leider sind auch dadurch nur noch 9% des Landes bewaldet. Die Menschen kommen mit weniger Energie und Konsum aus als wir Deutsche. Etwa 40% der Menschen beschäftigen sich mit Landwirtschaft, viele von denen betreiben Semisubsistenz. Moldova wurde zu Sowjetzeiten mit großindustriellen Plänen auch aus politischen Gründen verschont. Man hatte in Moskau befürchtet, dass sich der Landstrich irgendwann wieder Rumänien anschließen könnte. Diese geringe Industrialisierung wird bis 2017 noch als ein Nachteil für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen, in unseren Augen wird sich dies schon bald zum Vorteil drehen. Energetisch ist man noch abhängig von russischem Gas, das Potenzial an Solar und Reststoff-Biomasse ist aber enorm. Die Menschen sind fast alle bilingual (Russisch-Rumänisch) und sehen das auch immer mehr als Vorteil, denn als Bürde. Sowohl die rumänische als auch die russisch-sowjetische Kultur ist mit all ihren Schätzen in Moldova verankert: literarisch, kulinarisch oder sprachlich.

Was ist jetzt aber Moldotopia? Moldotopia ernährt seine Bevölkerung von rein ökologisch erzeugtem, regionalem Anbau. Das Fahrrad ist das meist-benutzte Verkehrsmittel. In den Städten fahren einige Trolleybusse, über Land ist der Schienenverkehr elektrifiziert und gut ausgebaut. In den Städten gibt es überall kleine Nachbarschaften, die zusammen wohnen, arbeiten, essen und feiern. Viele Häuser sind aus regionalen Baustoffen. In Holz-Stroh-Lehm-Bauten sind Moldauer global geschätzte Experten. 40% des Landes sind bewaldet (derzeit nur 9%!), 10% Schutzräume ohne Eingriffe des Menschen. In der Landwirtschaft hat sich die Agroforstwirtschaft als gängige Praxis durchgesetzt. Erosion gibt es nicht, jedes Wasser ist trinkbar. Es herrscht das Gefühl der Fülle vor dem Gefühl der Knappheit, Kinder sind das höchste Gut, auf das die ganze Gemeinschaft aufpasst. Dies sind nur einige Aspekte von Moldotopia.

Graswurzel-Verein „EcoVisio“ als Vermittler und Vernetzer von Moldotopia

Wir von der moldauischen NGO „EcoVisio“ arbeiten gemeinsam mit jungen Menschen in Moldova an der Erfindung und Umsetzung der Vision von Moldotopia. Natürlich haben die meisten jungen Menschen eine andere Idee der Zukunft ihres Landes. Im politischen Streit geht es häufig um die Ausrichtung EU vs. Russland und ein Regionalstolz ist nicht sehr verbreitet. Man fühlt sich entweder Rumänien oder Russland verbunden und streitet sich um die Ausrichtung des Landes. Auch der Konflikt um Transnistrien stört die Konzentration auf die eigene Entwicklung.

Mit unserem Programm „activEco – Sustainability in action“ bringen wir eine oft neue Komponente hinein: Was wäre, wenn meine Zukunft hier bei uns in Moldova liegt und nicht in Rom, Berlin oder Moskau? Was wäre, wenn unsere Region bald Vorbild für andere sein kann? Die Voraussetzungen sind da und es kommen in jedem Jahr etwa 30 Absolventen des Programms hinzu, die Multiplikatoren für Moldotopia werden. Wir sind im Jahr 2017 und die Kraft der Vision und die Energie junger Menschen kann uns schnell dem Moldotopia 2040 näherführen. Noch hört man aus Moldova eher vom Transnistrienkonflikt oder vom „ärmsten Land Europas“. Seid gespannt, wenn Ihr in 20 Jahren Nachrichten aus Moldova hört…

Julian Gröger

www.ecovisio.org

www.activeco-program.org

julian@ecovisio.org